
Ich spüre im Unternehmen eine Offenheit für Gebet
IN VIELEN UNTERNEHMEN BETEN CHRISTEN GEMEINSAM AM ARBEITSPLATZ. BEIM AUTOBAUER BMW ORGANISIERT RALPH SCHORIES AM STANDORT MÜNCHEN DAS FIRMENGEBET. ROMY SCHNEIDER HAT MIT IHM GESPROCHEN.
Herr Schories, warum nehmen Sie Ihren Glauben mit an den Arbeitsplatz?
Mein Leben besteht zu einem großen Teil aus Arbeitszeit. Ich will kein Sonntagschrist sein, also nach dem Gottesdienst nach Hause gehen – und das war’s. Christsein bestimmt mein Leben und damit auch mein Arbeitsleben.
Wie zeigt sich das im Arbeitsalltag?
Für mich ist es eine Entscheidung, nach christlichen Werten leben zu wollen. Die Bibel gibt mir auch am Arbeitsplatz Orientierung. Das heißt: Ich bleibe jederzeit bei Wahrheit und Klarheit.
Zum Beispiel?
In meinem Tätigkeitsfeld geht es unter anderem darum, Einschätzungen vorzunehmen und die Zielerreichung regelmäßig zu berichten. Wird das Delta zwischen Soll und Ist zu groß, könnte ich die Lücke lange verschweigen – oder ich zeige die Realität schnellstmöglich auf. Das könnte sich negativ auf meine Reputation auswirken. Doch andererseits gebe ich dem Unternehmen damit die Möglichkeit, frühzeitig Lösungen zu finden. Mit Wahrheit und Klarheit bewahre ich vor kurz- oder mittelfristigem Schaden.
Fehler einzugestehen macht auch angreifbar.
Auf jeden Fall. Doch ich blicke nicht zuerst auf mich und mein Vorankommen auf der Karriereleiter. Für das Unternehmen ist es besser, wenn ich jederzeit alle Karten auf den Tisch lege und damit die Chance biete gegenzusteuern.
Das wird doch von jedem Mitarbeiter erwartet.
Stimmt! Glücklicherweise erlebe ich bei BMW auch sehr viele Menschen, die nach moralisch hohen Maßstäben handeln. Trotzdem gibt es einen Unterschied, ob ich selbst Mittelpunkt meines Handelns bin oder einen Blick darüber hinaus habe.
Sie meinen, weil Sie sich auch Gott gegenüber verpflichtet sehen?
Richtig. Er ist eine klare Leitlinie in meinem Leben. Auf ihn kann ich mich verlassen. Selbst wenn ich meinen Job verlieren würde, weiß ich: Er wird mich auch dann versorgen. Das hilft mir, im Job authentisch und klar zu sein.
Welche Rolle spielt für Sie Dankbarkeit?
Eine sehr große. Ich beginne und beende meinen Tag in der Regel mit Gebet. Mein erster Dank gilt Gott, weil er mich so reich versorgt. Er gibt mir ausreichend zu essen und zu trinken. Ich bin dankbar, in einem Land zu leben, in dem Frieden herrscht und ich äußere Freiheit genießen darf. Doch ich bin auch in vielen kleinen Dingen dankbar.
Ihr Vater hat in den 1980er Jahren den ersten überkonfessionellen Gebetskreis bei BMW gegründet. Daraus ist das Netzwerk „Christen bei BMW“ entstanden, das Sie nun leiten. Wie ist es organisiert?
Momentan nehmen an den Gebetskreisen Kollegen aus verschiedenen Bereichen teil: Vertrieb, Entwicklung, IT oder Produktion, aber auch Mitarbeiter von Partnern, beispielsweise Lieferanten.
Die Altersspanne liegt zwischen Anfang 30 bis Mitte 60 Jahre. Einmal im Monat findet ein zentrales Gebetstreffen statt. Wir schreiben dazu einen Verteiler mit etwa über 100 Kontakten an und laden dazu ein. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Gebet für Belange des Unternehmens. Regelmäßig kommen fünf bis zehn Teilnehmer. Es dauert etwa 90 Minuten und ist außerhalb der Arbeitszeit. Daneben treffen sich auch mehrere Gruppen in der Mittagspause zu einer 15-minütigen Gebetsrunde. Hier beten wir online miteinander.
Weil Sie keinen eigenen Gebetsraum haben?
Das hat auch mit Corona zu tun. Vor der Pandemie haben wir uns physisch getroffen. Wir überlegen derzeit, in einen Hybridmodus zu gehen und nach einem Raum Ausschau zu halten.
Die Treffen findet der Betriebsrat gut?
Mindestens einer der Teilnehmer gehört dem Betriebsrat an. Mit einem früheren Mitglied des Betriebsrates – er gehört zur katholischen Kirche – sprachen wir einmal über einen eigenen Raum. Es gibt zum Beispiel einen Gebetsraum im Unternehmen, der allerdings ausschließlich von Muslimen genutzt wird. Das waren konstruktive Gespräche. Außerdem wurde unsere Gebetsinitiative vergangenes Jahr im Magazin „aktiv“ des Instituts der deutschen Wirtschaft vorgestellt. Darüber kam ein Kontakt zum Personalwesen bei BMW zustande. Die Personalreferentin war sehr aufgeschlossen. Sie fand das Firmengebet richtig gut, weil es ein generationenübergreifendes Element sei. Ich merke eine Offenheit für Glaube und Gebet im Unternehmen.
Was lässt Sie darauf schließen?
Ich nehme wahr, dass BMW in seiner Unternehmenskultur gut übereinstimmt mit meinen christlichen Werten. Bei allen Herausforderungen im Einzelfall wird immer um die beste Lösung gerungen, die rechtlich einwandfrei ist. Das hat unter anderem dazu geführt, dass wir im Rahmen des Dieselskandals als Unternehmen ohne Betrugsansatz gelten. Zum anderen will BMW in Bezug auf Diversity viele Aspekte umfasst wissen. Da werden auch die Glaubenshintergründe der Mitarbeiter berücksichtigt.
Sie sagen, dass der Gebetsraum ausschließlich von Muslimen genutzt wird. Dürften Sie dort auch beten?
Das wäre möglich. Aber nachdem der Raum drei Mal täglich von den Muslimen zum Gebet genutzt wird, ist er sehr stark darauf eingerichtet. Momentan haben wir von einem festen Raum Abstand genommen. Die Mittagsgebetskreise organisieren die Kollegen selbst und für die monatlichen Treffen müssen wir keinen festen Raum blockieren. Da wollen wir auch mit den Ressourcen des Unternehmens verantwortlich umgehen.
Welche Themen besprechen Sie?
In den monatlichen Treffen beten wir im Schwerpunkt für das Unternehmen. Persönliche Anliegen werden eher im kleineren Kreis ausgetauscht. Wir beten für den Vorstand und Führungskräfte. Uns ist bewusst, was für eine Verantwortung auf ihnen lastet. Wir wissen bisher leider nur von wenigen im Kreis der oberen Führungskräfte, dass sie Christen sind. Auch für Lieferanten oder Politiker, die für die Rahmenbedingungen unseres Unternehmens verantwortlich sind, beten wir.
Erleben Sie Gebetserhörungen?
Klar. Einmal hatte sich beispielsweise ein Kollege mit seinem Chef gar nicht verstanden. Wir beteten für ein konstruktives Gespräch, bei dem die Differenzen ausgeräumt werden können. Das fand dann tatsächlich kurzfristig statt, und die Situation hat sich verbessert. In ähnlichen Situationen änderte sich die gesamte Teamkonstellation zum Besseren. Taucht in der Entwicklung ein schwerwiegendes Problem auf, beten wir, bis sich eine Lösung ergeben hat. Wir beten auch für den Geschäftserfolg bei BMW. Dieses Anliegen hat sich in den letzten Jahren sichtbar erfüllt.
Wie startet man einen Gebetskreis am Arbeitsplatz?
Als Erstes sollte man schauen, ob man einen zweiten christlichen Kollegen findet, und dann einfach anfangen zu beten – und das öffentlich machen und andere dazu einladen. Das geht auch extern über die Plattform firmengebet.de. Bei kleinen und mittleren Unternehmen sollte man direkt mit der Geschäftsführung sprechen, ob ein entsprechender Aushang erlaubt ist. Bei größeren Unternehmen gibt es oft eine interne Plattform. Auch hier rate ich, vorher mit dem Betriebsrat oder dem Personalwesen zu sprechen. Wichtig ist, einen Gebetsdrang zu haben. An dem scheitert es oft. Man ist bequem oder glaubt, es funktioniert auch ohne. Es braucht Gebetsfeuer. Das Reden mit Gott ist essenziell im Glauben. Ich glaube, wir sollten noch viel mehr verstehen, dass Gebet ein Geschenk ist und auch Freiheit bedeutet: Ich kann Gott meine Sorgen und Nöte abgeben.

Auf der Internetplattform firmengebet.de sind Unternehmen aufgelistet, in denen sich Christen zum gemeinsamen Gebet treffen.
Christen bei BMW ist eingebunden in das bundesweite Netzwerk Christen in der Automobilindustrie (CAI). c-a-i.info